Rezension: Drive In von Joe R. Lansdale


An „Drive In“ hatte ich schwer zu kauen. Es ist wie zähes Fleisch und spitze Knochen, anders als alle anderen Bücher von Lansdale und auch so ziemlich alles andere was ich bisher sonst so gelesen habe. Hinter viel Ekel (ja es ist ekelhaft, widerlich, grausam) steckt aber auch eine kostbare Botschaft, viel Potential für Grübeleien und eine wahnsinnige Portion Phantasie.

DriveIn„Drive In“ von Joe R. Lansdale
Heyne Hardcore
736 Seiten
14,99 € (Taschenbuch)

Das Orbit ist das größte Autokino von Texas, jeden Freitagabend wird dort eine große Horrorshow veranstaltet: auf drei Leinwänden werden non-stop Horrorfilme gezeigt. Es gibt so viel Blut auf der Leinwand wie Popcorn bei den Zuschauern: maßlos viel! Eines Abends wird das Orbit durch einen seltsamen Vorfall von der Außenwelt abgeschnitten, die Besucher sind eingesperrt und beginnen bald durchzudrehen. Aus Angst und Hunger werden Gewalt und Kannibalismus geboren, später kommt ein seltsames Wesen (der “Popcorn King“) dazu und bringt alles auf einen tragischen Höhepunkt!

Wer Lansdales atmosphärischen und detaillierten Schreibstil schon aus seinen anderen Büchern liebt, wird auch hier nicht enttäuscht werden. Aber völlig anders als in seinen übrigen Werken beherrscht dieses Buch der blanke Wahnsinn und die rohste Gewalt. Die Beschreibungen sind so widerlich und ekelhaft, dass auch ich zum Teil schwer zu kämpfen hatte. Auch die Personen und der Handlungsort sind für diesen Autor völlig ungewöhnlich: weder bewegen wir uns in einem besonderen historischen Kontext, noch bergen die Protagonisten Konfliktpotenzial.
Die aberwitzige Ausgangssituation des Buches schafft es jedoch, den Leser zu fesseln und getrieben von Neugier, Entsetzen oder dem puren Willen dem Ganzen ein bisschen Logik abzugewinnen weiterlesen zu lassen.
In drei Abschnitten (ehemals einzelnen Büchern) wird erst der wahnsinnige Vorfall im Autokino, später der Kampf ums Überleben und am Ende die Zuspitzung des Dramas beschrieben. Von Abschnitt zu Abschnitt denkt man als Leser „nein, verrückter kann es nicht mehr werden“ und es kann doch. 
Leider gibt es dabei gerade im Mittelteil einige Längen, die Geschichte verliert die Richtung und wirkt zum Teil etwas zäh. Aufgeben sollte der Leser hier trotzdem nicht (was bei mehr als 700 Seiten manchmal schwer fällt), denn am Ende lohnt das „Aha“ und „Wow“. Dafür muss man sich durchbeißen, bricht man ab ist die Geschichte nur eins: ein billiges B-Movie!
Hält man durch bis zum Finale, genießt die sprudelnde und fesselnde Phantasie der Geschichte, bekommt man noch einiges geboten. Die Botschaft hinter der Geschichte ist eine Parole zum durchhalten und durchbeißen, plädiert für Menschlichkeit und kratzt noch nebenbei am Ursprung (und Sinn) allen Lebens.
Mir hat „Drive In“ gut gefallen und sich heftig in meine Gedanken gebrannt. Für jeden Leser ist das Buch aber nichts: zu grausam, zu hart und immer mit der Gefahr den Faden zu verlieren. Wer Spaß an “Trash” hat und die Tiefe hinter einer platten Fassade genießen möchte, ist hier aber ganz richtig!

Das Buch in einem Tweet: Wie zähes Fleisch und spitze Knochen: DriveIn ist keine leichte Kost, blutig und grausam aber auch unglaublich phantasievoll.

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