Rezension: Die Fotografin von William Boyd


Es gibt Bücher, die man nie wieder vergisst. „Die Fotografin“ von William Boyd ist für mich so ein Buch. Vermutlich werden die Details der Handlung mir nicht mehr so präsent sein, aber das Gefühl, welches dieses Buch in mir hervorrief, wird mich nicht mehr loslassen.

Fotografin_Boyd„Die Fotografin“ von William Boyd
Berlin Verlag
560 Seiten
24,00 € (Hardcover)

Armor Clay entdeckt in den 1930er Jahre ihre Passion zur Fotografie. Damals ist sie fast noch eine Exotin, die meisten Berufsfotografen sind Männer, das Pflaster ist entsprechend steinig für sie. Im Verlauf der Handlung sucht die junge Frau nicht weniger als sich selbst, ihre berufliche Position und die Liebe. Armory durchlebt politische und emotionale Krisen und ist Zeitzeugin in aufrührenden Zeiten.

William Boyd erzählt die fiktive Lebensgeschichte dieser Figur so authentisch und webt sie so nahtlos in historische Fakten ein, dass ich gar nicht glauben konnte, hier einen Roman vor mir zu haben. Alles liest sich so echt, fühlt sich so echt an, dass ich immer noch ein klein wenig überzeugt bin, dass Amory Clay eine tatsächliche historische Persönlichkeit war.
Das liegt unter anderem an der detaillreichen Geschichte. In der Handlung finden sich Bezüge zum ersten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg, zu den Entwicklungen in England in den 1930er Jahren und dem „verruchten“ Berliner Nachtleben. Zum anderen werden alle Etappen der Geschichte mit Armorys Fotos unterlegt. Wir sehen sie, ihren Vater, ihre Männer und die Kriegsfotografien. Diese Fülle an Details verwebt sich zu einem perfekten Bild.
Auch die vielen Nebenhandlungen, Schicksalsschläge und interessanten Charakere, die Armorys Weg kreuzen, sind zu ausgefeilt, um nur erdacht worden zu sein.
Da die Handlung aus Armorys Perspektive erzählt wird, ihr Ton so leicht, manchmal spöttisch aber immer gefühlvoll ist, konnte ich mich ihr als Charakter schließlich nicht mehr entziehen. Von der ersten bis (vor allem!) zur letzten Seite hat sie mich immer wieder überrascht und zum Nachdenken gebracht. Vor allem das Ende empfand ich dabei als besonders wertvoll.

Die Hauptfigur des Romans, Armory, spielt häufig ein Spiel, das sich darum dreht Personen mit nur vier Adjektiven möglichst umfassend zu beschreiben. Möchte man dieses Buch ebenso beurteilen, würde ich „elegant, träumerisch, mitreißend und historisch“ wählen. Eigentlich sind aber vier Adjektive längst nicht genug! Es fehlen: großartig, fesselnd, sinnlich, poetisch…

Unterm Strich 5 von 5 begeisterten Leseratten, immer noch versunken in der Geschichte.

Das Buch in einem Tweet: In vier Adjektiven umschrieben ist „Die Fotografin“ elegant, träumerisch, mitreißend und historisch. Und noch so viel mehr…

5 Comments

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  1. 2
    Jen

    Das Buch habe ich letztens erst bei einer Freundin gesehen und fand es da schon interessant. Nach deiner Rezension bin ich jetzt vollends überzeugt, dass ich es unbedingt auch lesen muss. Dass man die Fotos zu sehen bekommt, hört sich nach einer besonders schönen Idee an. Fügt dem Buch nochmal etwas Besonderes hinzu.
    Liebe Grüße, Jen

  2. 3
    Nanni

    Liebe Alex,

    eine sehr schöne Rezi :) Freut mich, dass dir das Buch ebenso gut gefallen hat, wie mir.
    Ich finde es total faszinierend, dass Boyd eine fiktive Figur beschreibt, die dem Leser so realistisch vorkommt. Ich musste Amory erst mal auf Wiki nachschlagen ;D Ebenfalls beeindruckend, dass er sich als Mann so gut in eine weibliche Figur hinein versetzen kann. Ich möchte definitiv auch noch andere Romane des Autors lesen.

    Viele liebe Grüße
    Nanni

  3. 4
    Kati @Zeit zu Lesen

    Servus liebe Alex,

    mit dem Buch machst Du mich aber nun neugierig! Ich nin zwar nicht ganz sicher, ob es was für mich ist – aber es ist ein hervorragendes Geschenk für meine Schwester – zumal sie selber eine Passion für Fotografie hat. Uff, endlich ein Geburtstagsgeschenk. Danke daher VIELMALS für den Tipp!

    Lieben Gruß
    kati

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