Rezension: Radio Activity von Karin Kalisa
Karen Kalisas Roman “Radio Activity” hat mich in den ersten Zeilen gepackt. In wenigen Sätzen schafft die Autorin eine Atmosphäre, die diese Geschichte komplett trägt.
“Als sie das erste Mal auf Sendung ging, ließen die Vorarbeiter im Hafenbüro ihre Einsatzpläne sinken. Auf den Schleppern, wo gerade die Buchungslisten besprochen wurden, hielt man inne und sah durch die Luken auf die glitzernden Wellenkämme der auflaufenden Flut.”
Es geht um Radio und um das Meer. Aber auch um Schuld und um das Schweigen, um Justiz und Selbstjustiz.
Nora Tewes kehrt zurück in ihre Heimatstadt, ihre Mutter liegt im Sterben und braucht die Nähe der Tochter. Doch in diesen letzten Tagen sprechen sie nicht nur über glückliche Erinnerungen. Die junge Frau erfährt von einem Verbrechen, dem ihre Mutter vor vielen Jahren ausgeliefert war. Nora beschließt den Täter zu stellen und ruft im Radiosender, in dem sie arbeitet, zu einer Jagd auf…
Die Grundidee dieses Romans ist so beeindruckend, dass er einen nicht mehr loslässt. Was wäre wenn? Ja, was wäre wenn die nette Stimme aus dem Morgenradio uns mit eindringlichen Worten auf eine Schnitzeljagd führt? Eine Jagd mit einem ganz besonderen Ziel?! Tatsächlich entwickelt sich “Radio Activity” dann ganz anders als ich erst dachte. Es ist einerseits nicht so hart wie gedacht, dafür wärmer und auf eine andere Art emotional hart.
Du kennst Karin Kalisa vielleicht schon von ihrem Roman “Sungs Laden”, doch damit kann man “Radio Activity” wirklich nicht vergleichen. Zwar herrscht auch in “Radio Activity” eine beinahe liebevolle Atmosphäre, aber der Roman ist wesentlich weniger “leicht” als sein Vorgänger. Das liegt an der Thematik rund um Schuld und Justiz, aber auch an der Art der Erzählung.
Die Figuren sind weniger lustig, sie tragen vielmehr ihr eigene, schwere Geschichte mit sich herum. Wo sie in “Sungs Laden” eher augenzwinkernd beschrieben werden, bleibt ihre Charakterisierung in “Radio Activity” ernst. Ich habe den Roman trotzdem (oder gerade deswegen?) unheimlich genossen.
Karin Karlisa lässt in ihrem einzigartigen Erzählstil viel Platz für eigene Gefühle und Gedanken. Das Buch zu lesen fühlt sich wirklich an, als würde man einem besonders guten Radiosender lauschen. Und trotzdem plätschert der Roman nicht belanglos dahin, er ist immer genug “da” um zu fesseln. Die Atmosphäre hat mich von der ersten bis zur letzten Seite beeindruckt. Besonders die Erinnerungen, die im Gespräch von Mutter und Tochter aufflammen, haben mich tief bewegt.
Für mich ist “Radio Activity” eine ganz klare Leseempfehlung und ein absolutes Herbsthighlight! Am besten, wenn man ein Meer (oder wenigstens einen See) in der Nähe hat, damit die kleinen und großen Wellen ein bisschen helfen, all die Gefühle, die dieser Roman aufwühlt zu verarbeiten.
„Radio Activity“ von Karin Kalisa, erschienen im C.H. Beck Verlag, 351 Seiten
ich war enttäuscht von diesem Buch…hatte darauf gewartet, weil ich sungs laden so schön fand, und diese habe ich nach 100 seiten aus der hand gelegt…
Hallo Wolfgang,
Danke für deinen Kommentar! Ich bin immer wieder überrascht wie unterschiedlich manche Geschichten ankommen. Ich fand „Sungs Laden“ ganz nett, „Radio Activity“ aber wesentlich beeindruckender. Die Art beider Bücher ist halt tatsächlich ganz anders und zeigt die Autorin in völlig verschiedenen Facetten.
Viele liebe Grüße,
Alexandra