Rezension: Stillhalten von Nina Jäckle


Lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mich sprachlich so überzeugt hat wie “Stillhalten” von Nina Jäckle. Es ist ein Buch, welches erzählt wird durch die ebenso farbigen wie melancholischen Gedanken einer einzelnen Frau, die schon so viel durchlebt hat.

Tamara Danischewski war 1933 eine junge, aufstrebende Tänzerin, stand für den Maler Otto Dix Modell und träumte von einem wilden, bunten Leben. Der aufkommende Nationalsozialismus durchbrach diese Träume, sie rettete sich in die sichere Ehe mit einem unzufriedenen, langweiligen Mann. Diese Entscheidung ist es, die ihr Leben in neue Bahnen lenkt. Nun ist Tamara eine alte Frau und träumt wieder, sie träumt von einem Leben, in dem noch alle Türen offen schienen.

Obwohl “Stillhalten” ohne viel Dramatik auskommt, hat mich dieses Buch sehr bewegt. Es geht in diesem Roman um die Weggabelungen in einem Leben, die alles Entscheiden und alles Ändern können. Dabei fokussiert sich der Roman aber nicht auf die Phasen der Veränderung, sondern, wie der Titel schon andeutet, auf die Phasen der Stille und des Innehaltens. Tamaras bewegtes Leben wird in ihren Erinnerungen lebendig, aber oft sind es die ruhigen Momente hinter der Bühne oder beim Nähen eines Kostüms, die dargestellt werden und nicht der eigentliche Tanz.

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Manchmal ist es fast schon schwer zu ertragen, wie traurig und gelähmt die Handlung in diesem Buch wirkt. Dabei schlagen in Tamaras Brust zwei Herzen: die einsame und müde alte Frau und die junge, ambitionierte Tänzerin. Dieser Kontrast wird durch das Gemälde, welches Otto Dix von Tamara malte besonders verdeutlicht. Während die echte Tamara allein in ihrem Landsitz lebt und nur einen räudigen Hund zum Gefährten hat, reist die gemalte Tamara um die Welt und wird allerorts bestaunt und bewundert. Immer wieder stoßen wir auf diese Kontraste, die mir beim Lesen schwer im Magen lagen.

Obwohl gerade die Themen rund um die politischen Rahmenbedingungen nur sehr vage und schemenhaft erzählt werden, sind auch sie von Bedeutung für diese Geschichte. Oft wenn es sich in Tamaras Gedanken oder den Aussagen “des Künstlers” um Krieg und Gewalt dreht, kommen kleine und große Wahrheiten ans Licht, die meist schnell wieder verdrängt werden.

“Genau so wird Grausamkeit erst möglich, denn sobald man das Leid verschweigt, ist Mitleid nicht mehr erforderlich.”

Für manchen Leser wird das Buch schwer zu verkraften sein, so viel Einsamkeit und Traurigkeit liegt in den Seiten, ist es doch die Geschichte eines gescheiterten Lebens. Auch bewegt sich die Handlung in diesem Buch nur mühsam voran, schlägt oft immer wieder Schleifen zurück. Eben wie die Gedanken einer Person, die ihr Leben noch einmal Revue passieren lässt. Mich hat die Lektüre dennoch, beziehungsweise genau deshalb, so angesprochen und zum Innehalten angeregt.

 

Das Buch in einem Tweet:

 

”Stillhalten” von Nina Jäckle, erschienen im Klöpfer & Meyer Verlag, 188 Seiten, 20,00 € (Hardcover)

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