Rezension: Das Licht ist hier viel heller von Mareike Fallwickl


Selten wurde zwischen zwei Buchdeckel so viel Wucht und Wut gepackt, wie in “Das Licht ist hier viel heller” von Mareike Fallwickl. Es geht um (männliche) Macht und erzwungenen Sex, um Opfer die nicht gehört werden und Täter, die irgendwie immer wieder davon kommen.
Im Roman wird die Geschichte von Maximilian Wenger erzählt. Wenger ist ein abgehalfterter Bestsellerautor, der die besten Tage schon hinter sich hat, seine aktuellen Bücher liest längst keiner mehr. Seine Frau hat einen Jüngeren und die Kinder finden ihren Vater peinlich, strafen ihn mit Missachtung.

“Wenger sitzt nackt auf dem Bett und googlet sich selbst.”

Wie Wenger sich da in Selbstmitleid badet, könnte er einem fast Leid tun. Auch wenn man doch merkt, dass er einer von den fiesen Typen ist. Perfide spricht Wenger den Frauen in seiner Umgebung jeden Erfolg ab, sieht sie entweder als Trophäen oder als nützliche Geister, nicht wirklich als Individuen.

“Weil halt ein bisschen Gutes viel Schlechtes aufwiegen kann, der Mensch ist immer geneigt, sich einlullen zu lassen.”

Und so fand ich das beim Lesen eine ganze Zeit alles gar nicht soo schlimm, mochte Wenger trotz vieler unsympathischer Eigenschaften doch irgendwie. Darin liegt für mich eine ganz eigene Tragik und ein toller Kniff der Autorin.

Die zwei anderen Erzählebenen des Romans sind die Stimmen von Frauen, die neben Wengers riesigem Ego manchmal kaum Platz zu finden scheinen. Da ist zum einen eine namenlose Briefeschreiberin, deren Briefe Stück für Stück eine tragische Geschichte erzählen und um Hilfe schreien. Durch einen Irrtum landen die Briefe bei Wenger, es verwundert nicht, dass er die Hilferufe ungehört lässt.
Zum anderen ist da Zoey, Wengers 18jährige Tochter. Sie bildet die dritte Erzählebene. Zwischen den Eltern und deren Erwartungen an sie eingeklemmt, scheint Zoey kaum je gehört zu werden. Auch sie liest die Briefe der Unbekannten, aber bei ihr lösen sie ganz anderes aus als bei ihrem Vater.

Der Roman ist aus vielen feinen Fasern und Aspekten gewoben, die sich doch am Ende alle wunderbar ergänzen. Jede der Figuren trägt ihre eigenen Dramen aus, diese sind sich aber eigentlich unglaublich nah. Ich finde es wahnsinnig gut gelungen, wie die drei Figuren jeweils verschiedene Perspektiven der selben Themen bearbeiten.
Mareike Fallwickl beschäftigt sich in ihrem Roman damit warum Männer Macht haben, warum ihnen so selten Einhalt geboten wird. Es geht um Victim Blaming und #metoo. Alle Figuren kommen mit sexueller Gewalt in Berührung und auf alle hat es ganz unterschiedliche Auswirkungen. Beim Lesen packte mich die Wut.

Die eigentliche Hauptfigur des Romans sollte Zoey sein und trotz ihrer bedrückenden Unsichtbarkeit ist sie das auf ihre Weise auch. Wer aber auf die toughe junge Frau als Gegenentwurf zum alten weißen Mann hofft, macht es sich ein bisschen zu einfach. Denn auch “starke” junge Frauen leiden unter Macht und Missbrauch. Und dann ist da Jonathan, Zoeys Freund und lange Zeit meine Hoffnung in diesem Roman. Aber auf seine Art ist Jonathan schlimmer als Wenger und das Übel aus den Briefen, denn er ist Teil einer neuen Generation. Er ist Teil jener jungen Männer, in die man gern seine Hoffnungen setzen möchte, benimmt sich aber schon wie einer von den Alten. Ohne, dass wir etwas ändern, wird einfach nicht von selbst irgendwann alles gut. Die Strukturen, die all die Übergriffe von #metoo ermöglichten, lösen sich nicht von selbst auf.

Obwohl einem dieser Roman so viel zu Kauen gibt, ist er keine zähe Kost. Er ist viel mehr düster komisch, oft ganz klar und direkt erzählt. Und dann steckt er immer wieder voll kleiner, kostbarer Wahrheiten, die man wie wild mit dem Textmarker einfangen möchte.

“Vielleicht ging es letztlich für uns alle nur darum, nachts nicht ganz so tief in die Einsamkeit zu fallen.”

“Das Licht ist hier viel heller” ist ein Buch für Väter von Töchtern, Mütter von Söhnen und alle anderen. Ein Roman über den man nicht nicht sprechen wollen kann… und das ist genau richtig so!

 

„Das Licht ist hier viel heller“ von Mareike Fallwickl, erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt, 384 Seiten

2 Comments

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  1. 1
    Janna | KeJas-BlogBuch

    Ach jeeee, wie lange war ich nicht mehr hier?! o.O Wie wunderfein das nun alles aussieht, love it! Nur ein Abo für Kommis fehlt dir ;)

    „Dunkelgrün fast schwarz“ habe ich mir nun in einer meiner Hörbuch-Apps geladen und auch dieser Titel lief mir bereits über den Weg und was soll ich sagen, du hast mich angefixt! Dieser Titel kommt als Print auf meine Wunschliste! Mega reizvoll einen unsympathischen Typen doch irgendwie sympathisch zu skizzieren … bin definitiv neugierig geworden!

    Mukkelige Grüße!

    • 2
      Alexandra

      :) Daaanke liebe Janna! Mit dem Abo von Kommentaren muss ich mal gucken ob das noch geht, es kann sein dass das der DSGVO zum Opfer gefallen ist.

      Und ja, das Buch solltest du dir unbedingt auf die Liste setzen! Ich hab ja „Dunkelgrün fast schwarz“ nicht gelesen (ich hasse Beziehungsdreiecke, #sorrynotsorry) aber die Mareike hat hier halt auch echt in die vollen gelangt: Literaturbetrieb und #metoo und so viel für Wut im Bauch! Und dann diese tragisch-komische Wengerwurst. Ich denk du wirst da Spaß dran haben (wobei „Spaß“ auch immer mit diesem bitteren Nebengeschmack)…

      Viele Grüße,
      Alexandra

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