Rezension: Blaue Iris von Inger G. Madsen


Vor Kurzem bin ich über die Bücher von Inger G. Madsen gestolpert. Schon bevor ich offiziell mit #SpannungIstWeiblich nach Autorinnen im Bereich Krimi und Thriller suchte, um diesen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Mittlerweile 11 Titel umfasst die Krimireihe rund um den Ermittler Ronald Benito der dänischen Schriftstellerin. “Blaue Iris” ist der aktuellste Band der Reihe und ich hab’ mich damit einfach mitten ins Getümmel geworfen.
Es gibt eine ganze Reihe von Nebenhandlungen, die sich um die Probleme der einzelnen Ermittler drehen. Aber man kann den Krimi problemlos auch ganz für sich lesen. Das ist schon mal eine sehr gute Nachricht. Nichts hasse ich mehr als Kriminalromane, deren 397 Vorgängerbände man komplett gelesen haben muss, um nur den Hauch einer Ahnung zu bekommen, was da eigentlich los ist. Sicherlich würde es hier auch helfen, die anderen Teile gelesen zu haben, aber auch allein hat mir “Blaue Iris” Spaß gemacht.

In diesem Kriminalfall wird die Leiche eines jungen Mädchens in einem alten Ruderboot gefunden. Das Boot wurde in einem einsamen Fjord angespült, es ist voll Eis und mit blauen Blumen geschmückt. Bereits einige Wochen muss das eingefrorene Mädchen an dieser Stelle liegen. Auf diese seltsame Auffindesituation können sich die Ermittler keinen Reim machen und auch eine in der Nähe gefundene Leiche einer älteren Frau gibt Rätsel auf.

Grundsätzlich höre ich bei den Worten “grausam verstümmelte Mädchenleiche” auf egal welchen Klappentext zu lesen. Auch hier war ich zunächst ein bisschen skeptisch, dann aber erfreut. Der Fokus der Geschichte liegt in den Verwicklungen der einzelnen Personen und den Geheimnissen der Freundinnen des Opfers, nicht in der Beschreibung möglichst großer Grausamkeiten.

Iris, das ermordete Mädchen, war überaus beliebt und wunderschön. Ich stelle sie mir vor wie die Cheerleader aus den amerikanischen Teeniefilmen. Schnell lässt der Roman aber vermuten, dass hinter der lieblichen Fassade und den strahlend blauen Augen größere Abgründe lauern könnten, als alle Beteiligten erwarten.
Manche der Entwicklungen waren für meinen Geschmack ein bisschen zu vorhersehbar. Im Verlauf des Romans führt die Autorin aber dennoch geschickt durch die Handlung. Es werden immer wieder mögliche Finten und Wendungen im Text enthüllt und halten so die Spannung und den Lesefluss durchgehend aufrecht.

Außerdem werden im Roman viele spannende Themen mit der Handlung verwoben: das reicht von für dieses Genre gewöhnlichen Motiven wie Mobbing, Eifersucht und Rache bis zu ungewöhnlichen Themen. Besonders bleibt das Motiv der Augen als Spiegel der Seele und des Körpers nach dem Lesen haften.

So ist es ein Kriminalroman, der im Einheitsbrei doch ein bisschen heraussticht, obwohl er das Rad nicht komplett neu erfndet. Solide Krimikost in einer tollen Kulisse, der perfekte Krimi für kalte Wintertage.

Mein einziger echter Wermutstropfen? Aus Gründen der Dramatik muss am Ende eine Figur noch schwer verletzt werden und wird sprachlich “an den Rollstuhl gefesselt”. Ein paar Seiten weiter tauscht man sich dann kurz darüber aus, dass im Leben der Familie keine Zeit für einen Behinderten wäre. Meine Augenrollmuskulatur wurde ziemlich beansprucht. Zum Glück ist das wirklich ganz kurz vor Ende des Buches passiert, ich hätte das Buch sonst abgebrochen und eine spannende Kriminalgeschichte verpasst. Vielleicht können diese Szenen ja bei einer Überarbeitung noch sprachlich entschärft werden, um nicht die üblichen Klischees zu verbreiten.

 

“Blaue Iris” von Inger G. Madsen, übersetzt von Kirsten Vesper, Osburg Verlag, 396 Seiten

Foto Aliona Gumeniuk

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