Des Kaisers Kinder werden nicht erwachsen


Was macht „Erwachsen sein“ aus? Wann hast du dich zum ersten Mal in deinem Leben so richtig Erwachsen gefühlt? Bei mir war es, als ich meine erste Waschmaschine kaufen musste. Da hatte ich lang für das Geld arbeiten müssen, um dann ein Gerät zu kaufen, das so gar keinen Spaß macht. Ein bisschen stolz war ich schon, aber auch irgendwie ernüchtert. 

Ist so dieses Erwachsenenleben?

Jedes Mal wenn ich die Steuererklärung mache oder einen Termin in der Autowerkstatt vereinbaren muss, frage ich mich wann das passiert ist. Wann bin ich so erwachsen geworden? Oder bin ich das gar nicht? Meine Mutter, und erst recht die Generation meiner Großeltern, hat ziemlich genaue Vorstellungen vom erwachsen sein. Mit Mitte 30 noch Computerspiele spielen und viel zu spät aufstehen, wäre für sie nur schwer vorstellbar. Aber unser Bild von Erwachsenen hat sich in den letzten Jahren ziemlich gewandelt.

Genau das ist es, worum sich Claire Messuds Roman „Des Kaisers Kinder“ für mich im Kern dreht. Wir lesen von drei jungen Menschen, die sich am College treffen und voller Hoffnungen sind. Sie wollen die Welt bewegen, großes Erreichen. Danielle, Julius und Marina steht alles offen.

Dann, 10 Jahre später, sind sie kaum einen Schritt weiter gekommen. Das, was in der Generation ihrer Eltern als Zeichen des „erwachsen sein“ galt, können sie nicht vorweisen. Stabile Partnerschaften, Haus, Kinder, berufliche Errungenschaften. Stattdessen leben sie in ihren Kinderzimmern oder verramschten Studentenbuden, fliehen von einer Kurzzeitbeziehung in die nächste und hoffen auf den „Durchbruch“. Nur, dass dieses Sehnen mit Anfang / Mitte dreißig nicht mehr ganz so sexy ist, wie mit Anfang zwanzig. 

Wie schlagen sie sich durch?

Die pragmatischste des Dreiergespanns ist Danielle. Sie hat immerhin einen festen Job, für diesen ist sie aber sowohl zu ambitioniert als auch zu talentiert. Statt aufwühlende Reportagen zu drehen, produziert sie Dokumentationen über Fettabsaugungen. Ihr Privatleben liegt auf Eis und wird im Verlauf des Romans eher noch problematischer.

Julius ist der Paradiesvogel der Gruppe. Eigentlich will er einen Roman schreiben, aber auch irgendwie nur berühmt werden. Er schlägt sich als Freiberuflicher Rezensent durch, verliert sich aber ständig in neuen Beziehungen.

Marina schließlich ist eigentlich hauptberuflich Tochter ihres Vaters, eines erfolgreichen Kolumnisten. Wie Julius möchte sie einen Roman schreiben, aber sie scheint sich nie aus dem Schatten des Vaters befreien zu können. 

Im Verlauf der Geschichte merkt man jedoch, dass auch jene Figuren, die eindeutig „erwachsen“ sind, in Unsicherheiten und kindlichen Ideen festhängen. So ist zum Beispiel Marinas Vater besessen von dem Traum „ein großes Buch“ zu schreiben. Kein ganz normales Buch, sondern etwas Wegweisendes. Jede freie Minute schreibt er dafür an einem wirren Papierstapel herum und schleift an seinen Weisheiten, die sich so auch auf Apothekenkalendern finden würden. 

Was bleibt zurück?

Der Roman bietet eine unheimliche Vielfalt an Themen und Ideen. Nach einem eher zähen Einstieg, wird er ab der Mitte wirklich stark. Es geht um die Differenz zwischen der eigenen Erwartung „was uns zusteht“ und der Realität. Aber auch um die Oberflächlichkeiten und Werte dieses bestimmten intellektuellen Menschenschlags. Es geht um den Umbruch der Medien nach den Anschlägen vom 11. September, Partnerschaften und vieles mehr. Jeder wird darin ein bisschen sein eigenes Buch lesen. 

An meinen liebsten Roman von Claire Messud „Das brennende Mädchen“ wird wohl so schnell nichts wieder herankommen. Aber wie schon „Wunderland“ so hat mir auch „Des Kaisers Kinder“ viel zu denken gegeben. Was heißt es, Erwachsen zu sein? Sind es Dinge, die wir tun oder nicht mehr tun, haben oder sagen? Müssen wir bestimmte Checkpoints erreichen?

 

„Des Kaisers Kinder“ von Claire Messud, übersetzt von Sabine Hübner, erschienen im Hoffmann und Campe Verlag, 544 Seiten. 

+ There are no comments

Add yours