Inklusives Material für den Deutschunterricht von der CBM


Dieser Beitrag ist in Kooperation mit der Christoffel-Blindenmission (CBM) entstanden und enthält Werbung (Verlinkungen und Nennung des Projekts).

Kannst du dir vorstellen, wie unangenehm es ist, wenn man in der 7 oder 8. Klasse das Thema des Unterrichts ist? Ich habe mich gefühlt wie der Fisch, den wir im Biologieunterricht sezieren mussten. Viel unangenehmer kann es auch für den nicht gewesen sein, dachte ich.

Was passiert ist? Meine Klasse hat „Vorstadtkrokodile“ von Max von der Grün lesen müssen. Denn meine Deutschlehrerin sagte „wir behandeln jetzt mal das Thema Behinderung und Integration“. (Ja, damals war „Integration“ noch das Ding, Inklusion in weiter Ferne…)

Ich habe also den Kopf eingezogen und gehofft, dass es schnell vorbei geht. Inständig gebetet „hoffentlich denken jetzt nicht alle, dass das mit mir so ist“. Ich befürchtete, dass nun nie wieder jemand etwas mit mir unternehmen wird. Weil alle denken würden, dass ich nur traurig zu Hause sitze und man mir ständig aufs Klo helfen muss. Der Blick auf die behinderte Figur ist in dieser Geschichte einfach ziemlich auf ihre Schwächen fokussiert.

Sonst bin ich, also Kinder wie ich, nicht in den Texten vorgekommen, die wir im Deutschunterricht behandelten. Kinder in Geschichten über Liebe oder Freundschaft entsprachen klar einer scheinbaren „Norm“. Sie waren nicht behindert, weiß, ohne Migrationshintergrund, haben sich mit genau einem Geschlecht identifiziert etc…

Repräsentation von marginalisierten Menschen? – Fehlanzeige! Es gab entweder Texte über Kinder und Jugendliche die „anders“ waren oder es gab Texte über das Erwachsenwerden.

Immer wieder höre ich, dass Lehrkräfte auch heute noch mit Büchern wie „Vorstadtkrokodile“ ihren Unterricht bestreiten müssen. Vermutlich geschieht das, wie im Fall meiner Deutschlehrerin, aus der gutgemeinten Intention den Kindern Diversität und Inklusion näherzubringen. Manchmal, wie in meinem Fall, wird sicher immer noch das Gegenteil passieren.

Aber es fehlt einfach an guten Materialien, die die vielfältigen Bilder unserer Gesellschaft annähernd darstellen können.

Was ist das Projekt Sichtweisen?

Genau deshalb hat die CBM das Projekt „Sichtweisen“ gestartet. Es geht darum Lehrkräften kostenlos Materialien für den Deutschunterricht zur Verfügung zu stellen, die diese Lücken schließen können. Geschichten zu Diversität und Erwachsenwerden, die spannende Identifikationsfiguren für alle Jugendlichen bieten. Wenn es um Themen geht, die alle betreffen (Freundschaft, Liebe, Träume und Ängste Heranwachsender), dann müssen diese Themen endlich aus vielen Perspektiven erzählt werden.

Und ja, das CBM will möglichst alle Kinder und Jugendlichen mitnehmen, sowohl in den Geschichten als auch mit den Materialien. Daher haben wir verschiedene Themen aber eben auch verschiedene Formate erstellt.

Es gibt Texte in unterschiedlichen sprachlichen und inhaltlichen Niveaus. Jede Geschichte wird zudem in ihrer Originalversion von der jeweiligen Autor*in angeboten sowie in einer Version in einfacher Sprache. Für Kinder, die nicht (oder nicht gut genug) lesen können, haben wir Audioversionen von Synchronsprecher*innen vertonen lassen. Die hören sich übrigens auch wirklich toll an, wenn man lesen kann.

Huch, warum sage ich da „wir“? Was hat das Projekt gemacht, was habe ich da gemacht?

Vielleicht erinnert ihr euch noch an meine Ausschreibung hier im Blog?! Im letzten Jahr habe ich das CBM-Team im Projekt „Sichtweisen“ begleitet. Zunächst nur für ein paar Fragen zum Sensitivity Reading, dann auch bei der Suche nach den perfekten Geschichten für das Portal. Deshalb liegt es mir jetzt auch so am Herzen, euch zu erzählen, was daraus geworden ist.

 

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Es haben sich so viele tolle, junge und diverse Autor*innen gemeldet. Die Resonanz, die vielen spannenden Geschichten, hat uns beinahe überwältigt. Wir haben Themen gefunden, die wir uns vorher in ihrer Vielfalt so hätten nicht mal wünschen können: zum Beispiel über ein ganz unspektakuläres Bisexuelles Outing, das Leben mit Hochsensibilität oder rassistisches Othering. Am Ende hat das Projekt mehr Geschichten übernommen als geplant, einfach weil sie so wichtig sind.
Viele Autor*innen berichten als Own Voices von ihren eigenen Erfahrungen. Wenn das nicht möglich war, haben wir die Unterstützung von Sensitivity Readern gesucht.

Was haben wir geschafft?

Auf dem Portal Sichtweisen (https://geschichten-vielfalt.cbm.de) gibt es nun aktuell 11 Kurzgeschichten, die von allen Lehrkräften für den Deutschunterricht der Klassen 8 und 9 verwendet werden können. Es gibt Hilfestellungen, Impulse für den Unterricht und kostenlose Materialien.

Die Geschichten dürfen außerdem rechtssicher angepasst werden (zum Beispiel um auch in der Arbeit mit Kindern mit Lernbehinderungen weitere Vereinfachungen vorzunehmen, Geschichten in Abschnitte zu teilen o.ä.). Viele Autor*innen haben bei diesem besonderen Projekt auch mitgemacht, weil sie sich freuen, wenn ihre Geschichten jetzt lebendig bearbeitet und besprochen werden.

Was ist noch zu tun?

Seit Tagen denke ich darüber nach, wie ich diesen Text schließen möchte. Es darf kein billiger Aufruf, kein plumpes Versprechen wie im Teleshopping werden „Wir haben ihr Problem gelöst, klicken Sie hier!“. Und doch ist es was ich mir wünsche: dass dieses Material jetzt genutzt wird!

Wir müssen darüber sprechen, es Multiplikator*innen zeigen und alle dazu einladen, die Texte zu lesen. Bitte unterstützt mich und das CBM dabei: lest die Geschichten, aber vor allem teilt sie! Gebt den Link zum Portal befreundeten Lehrerkräften, interessierten Eltern und allen anderen, die auch möchten, dass wir den Schulunterricht inklusiver gestalten!

Und auch für das Projekt gibt es sicher noch viel zu tun. Es gibt noch viel zu ergänzen, neue Perspektiven und immer neue Geschichten zu erzählen. Ich hoffe, dass „Sichtweisen“ noch Stück für Stück mit Leben gefüllt wird. Ich wünsche mir weitere, intersektionale Geschichten. Geschichten über Freundschaften und Liebe in allen Konstellationen. Geschichten in den Marginalisierung und auch Diskriminierung eine Rolle spielen (denn sie haben Einfluss auf betroffene Jugendliche) und Geschichten wo sie das nicht explizit tun (denn sie sind nicht alles was betroffene Jugendliche beschäftigt).

Ein erster Schritt ist gemacht, es wär cool wenn ihr mitgeht!

 

Wer ist die Christoffel-Blindenmission (CBM)?
Die Christoffel-Blindenmission ist eine Organisation der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, die sich seit über 100 Jahren für Menschen mit Behinderungen weltweit einsetzt.

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