Die Gezeiten gehören uns
Manchmal glaube ich, dass ich innerlich noch 18 Jahre alt bin. Zumindest liebe ich Romane mit jugendlichen Charakteren irgendwie sehr. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich im Moment mit der jährlichen Prä-Geburtstags-Sinnkrise kämpfe. Egal, gebt mir Bescheid, wenn es anfängt komisch zu werden… Jedenfalls konnte ich mich mit der Hauptfigur aus „Die Gezeiten gehören uns“ super identifizieren.
Vor allem liebe ich diese Art von Geschichten mit jugendlichen Figuren, die sich leicht aber eben nicht banal lesen. Dabei sind die Themen gar nicht unglaublich besonders oder ungewöhnlich. Die (scheinbaren und echten) Dramen sind im Gegenteil ziemlich alltägliche: Eulabee ist eine eher unsichere 15jährige, ihre beste Freundin ist die schöne und vor Selbstbewusstsein sprühende Maria Fabiola. Die ist schon eher eine Frau als ein Mädchen und wird von allen Seiten bewundert. Diese Aufmerksamkeit genießt sie allerdings auch über alle Maße und lässt Eulabee deutlich ihren Unwillen spüren, wenn diese ihren dramatischen Geschichten widerspricht.
So wird Eulabee in der eigentlichen Tragödie des Romans auf einen Zuschauerplatz verbannt. Maria Fabiola verschwindet nämlich spurlos, bleibt tagelang vermisst und taucht dann unter seltsamen Umständen wieder auf. Die Geschichte, die sie über ihr Verschwinden erzählt, ist haarsträubend. Doch ist sie auch wahr?
Forever young
Der Roman erzählt von der Dynamik in Freundschaften und der Suche nach der eigenen Identität. Da muss gar nicht so viel passieren. Es ist so schon spannend, Figuren kennen zu lernen, in denen ich man sich ein bisschen spiegeln und über die man ganz viel nachdenken kann. Ich rätsele zum Beispiel auch noch daran herum, ob das Gemälde „Floß der Medusa“ zufällig als wiederkehrendes Motiv im Roman auftaucht oder nicht.-
Besonders ist auch das zeitliche Setting des Romans: der Roman spielt in den 1980er Jahren in San Francisco und hat damit diese ganz eigene Atmosphäre. Es wirkt ein wenig unbeschwert, verklärt und friedlich. Erzählt ist alles aber ganz modern, die Sprache wirkt jugendlich und leicht. Es könnte genau so auch heute passiert sein, eine im besten Sinne zeitlose Erzählung.
Eine wirklich leichte, mitreißende Leseempfehlung, für schwere Zeiten.
P.S. Lediglich ein Absatz, in dem sich die jugendliche Hauptfigur mit Anne Frank vergleicht wirkt wirklich wirklich unpassend. Sowas ist nicht zielführend und ich frage mich, ob man das in der deutschen Übersetzung nicht zumindest hätte kommentieren können?
„Die Gezeiten gehören uns“ von Vendela Vida, übersetzt von Monika Baark, erschienen im Hanser Literaturverlag, 288 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen.
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