Tick Tack


Ich habe sehr mit diesem Roman gehadert und mehrfach überlegt, ob ich ihn abbrechen soll. Er ist so voll von behindertenfeindlicher Sprache und eben jenen Motiven, dass ich es wirklich kaum aushalten konnte. Das ist besonders im ersten Teil des Romans super unangenehm, bekommt dann im zweiten Teil zumindest Kontext. Im Roman geht es um Manipulation, soziale Medien,  Verschwörungsmythen und die Radikalisierung von Verschwörungsgläubigen, vor allem während der Corona-Pandemie. Und diese Szene ist einfach unfassbar ableistisch. Menschen mit Behinderungen oder Vorerkrankungen wurden da immer als Kollateralschäden betrachtet, um ein „gesundes Immunsystem“ welches „Maßnahmen nicht braucht“ ein regelrechter Kult entwickelt. Es gehört also wohl irgendwie zum Thema und ist mir doch sauer aufgestoßen.

Aber worum geht’s überhaupt?

Im Roman wird die Geschichte von Mette erzählt. Die 15jährige beschäftigt sich mit dem, was einen mit 15 so beschäftigt: mehr Follower auf Tiktok, nervende Eltern und die Frage, ob man das eigene Leben in die Schablone sozialer Erwartungen pressen will. Obwohl sich Mette dabei super abgebrüht und tough vorkommt, ist sie aber eben auch eine unsichere Jugendliche. Das Thema Manipulation zieht sich komplett durch den Roman. Selbst von ihren Eltern wird Mette unter dem Mantel des „wir meinen es doch nur gut“ manipuliert. Spannend ist dabei, dass sie überall Manipulation wittert, nur bei dem, der sie am Ende wirklich manipulieren will, ahnt sie nichts. Selbst Menschen, die wohlmeinend versuchen Kontakt zu ihr aufzubauen, werden grob abgewiesen und als „Fake“ eingestuft. Leider wird nicht ganz klar, warum dieses Misstrauen gegenüber dem eigentlichen Manipulator fehlt.

Julia von Lucadou hat einen Roman über soziale Medien geschrieben ohne aktiv an ihnen teilzunehmen. Da würde sie sich nur unter Druck gesetzt und gehetzt fühlen, sagte sie in einer Buchvorstellung für Buchhändler*innen. Ihrem Roman merkt man das allerdings nicht an, es werden etliche Bezüge und Memes eingebunden, die fest zum gemeinsamen Gedächtnis der Social Media Communitys gehören. Eine interessante Lektüre, bei der es mir doch schwer fällt die richtigen Leser*innen dafür zu benennen.

 

„Tick Tack“ von Julia von Lucadou, erschienen im Hanser Literaturverlag, 256 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen.

+ There are no comments

Add yours