Eine Mutter-Tochter-Geschichte


Manchmal sind es gerade die Momente, in denen wir am dringendsten mit einem geliebten Menschen sprechen müssten, in denen uns die größte Sprachlosigkeit überfällt. So geht es zumindest Agneta und Tilda, Mutter und Tochter aus Ella-Maria Nuttis Roman „Kaffee mit Milch“, übersetzt von Wibke Kuhn. Die beiden trennen im Alltag nicht nur über Tausend Kilometer; wischen einem kleinen Dorf im Norden von Schweden und Stockholm, dem neuen Wohnort der Tochter. Sie trennen vor allem die vielen kleinen unausgesprochenen Verletzungen, Enttäuschungen, abgewiesenen Hoffnungen und unerfüllten Wünsche. 

Die Handlung umfasst im Großen und Ganzen nur ein langes Wochenende, das Mutter und Tochter miteinander verbringen. Doch erfahren wir viel über zwei gelebte Leben. Beide sind sich nicht mehr nah. Aus der Perspektive der Mutter erleben wir das als größte Katastrophe ihres Lebens. Sie wünscht sich verzweifelt eine Verbindung zu ihrer Tochter. Trotzdem weiß Agneta nicht, wie sie das anstellen soll und hat zum Teil eine recht seltsame Art ihre Liebe zu zeigen. Ein Punkt, in dem sich viele Töchter und Mütter wohl wieder erkennen werden. Agneta müsste eigentlich ein wichtiges Gespräch mit ihrer Tochter führen, doch die Worte wollen ihr nicht über die Lippen. So ist der Text von verpassten Gelegenheiten gespickt und mit jeder Seite steigt Agnetas Verzweiflung.

Die Abschnitte über Tilda werden weniger direkt erzählt, ihre Perspektive sehen wir nie ganz. Sie wird häufig distanziert als „die Tochter“ beschrieben und bleibt für uns damit zum Teil genau so unnahbar wie für ihre Mutter. Das ist gut gelungen und passt zum Motiv, doch hätte ich mir auch ein bisschen mehr Hintergrund zu ihrer Figur gewünscht. Ohne ihre Sicht auf diese Beziehung zu kennen, lässt sich manche Entwicklung nur erahnen. 

Ich habe mehrere Anläufe mit diesem Roman gebraucht. Der Text ist eher spröde und knapp, erst auf den zweiten Blick wird klar wie viel Emotion in dieser Geschichte hängt. Nun habe ich ihn an einem einzigen Tag gelesen und bin froh, diesen Figuren begegnet zu sein. Wie zwei Menschen, denen man bei einer Party begegnet und die man wohl nicht wieder sehen, sich an ihren Eindruck aber erinnern wird.

 

„Kaffee mit Milch“ von Ella-Maria Nutti, übersetzt von Wibke Kuhn, erschienen bei Rowohlt Verlag, 208 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen.

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