Rezension: Willkommen in Night Vale von J. Fink & J. Cranor


Night Vale könnte euch schon aus dem Podcast von Josep Fink und Jeffrey Cranor ein Begriff sein. In ihrer Sendung „Radio Night Vale“ erzählen sie wöchentlich, was so los war, in diesem kleinen (ziemlich seltsamen) Ort in der Wüste.
Die neueste Episode gibt es nun quasi ausführlich in Buchform. Doch die Geschichte ist auch dann ein Genuss, wenn man (wie ich) völlig unbedarft und ohne Podcast-Vorkenntnisse, einfach mit Seite eins beginnt. Viel Spaß!

„Willkommen in Night Vale“ von Joseph Fink und Jeffrey Cranor
Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag)
378 Seiten
19,95 € (Hardcover)

Wenn ich versuche jemandem dieses Buch zu beschreiben, fallen unwillkürlich Sätze, die mit „und dann gibt’s da“ beginnen. Denn es gibt da einen 15jährigen Jungen, der manchmal eine Spinne ist, an anderen Tagen lieber eine Blumenvase. Und dann gibt’s da einen gefühlsbegabten Nebelschleier der Karten im Kino verkauft. Und dann gibt’s da farbige Lichter über der Wüste, die ihre Farbe ändern, wenn man über sie spricht. Und dann gibt’s da…
In „Willkommen in Night Vale“ lernen wir einen ganzen Kosmos von Absurditäten und Absonderlichkeiten kennen. Im Zentrum der Verrücktheit steht die die ewig-junge Besitzerin des Pfandhauses in Night Vale. Ihr wird eines Tages ein Zettel verpfändet, auf dem schlicht „King City“ steht und treibt sie so zu einer Reise, die sie selbst am allerwenigsten erwartet hätte.

Sprachlich war dieses Buch für mich ein einziges großes Fest. Ich liebe die Erzählweise, die fein, trotzdem leicht und voll verwinkeltem-wortwitzigen Humor daher kommt.
Die Sätze in „Willkommen in Night Vale“ spielen miteinander, relativieren ihren Vordermann, überholen ihn und kehren ihn ins Absurde um. Jede Aussage ist nur für den Moment wahr, schon eine Sekunde später werden wir vielleicht vom Gegenteil überzeugt. Oder vehement in der Richtigkeit der Aussage bestätigt. Oder eben auch nicht. Versteht ihr?
Dadurch ist nichts lang wahr, nichts wirkt real und stellt auch unsere Vorstellung von Realität sacht in Zweifel. Die ganze Geschichte ist eine einzige Metapher, jede Anekdote gleichzeitig im wörtlichen Sinne lustig und im übertragenen Sinnbild für etwas Anderes. Das hat mich ungemein unterhalten, kann aber auf den Leser auch wirklich irritierend wirken.

Gegen die Großartigkeit dieser völlig absurden Welt, ihrer perfekt verrückten Charaktere und der fein-humorigen Sprache, hat lediglich die Entwicklung der Handlung für mich ein wenig an Gewicht verloren. Das „was“ eigentlich passiert, wird zweitrangig. Obwohl man mit den Protagonistinnen fiebert auf der Suche nach dem „was“ und „warum“ über King City, verpufft das Ende ziemlich haltlos. Die Begeisterung wich bei mir einen Moment lang einem erstaunten “Wirklich!? Das war’s?”. Für mich der einzige größere Makel in einem sonst so stimmigen Gesamtbild.

So kann ich trotz anfänglicher grenzenloser Begeisterung und ungebrochenem Staunen über diese Welt „nur“ 4 von 5 Leseratten vergeben. Ich hoffe trotzdem und gerade deswegen auf mehr Geschichten aus Night Vale. Denn es ist einfach ein Buch, das sich durch seine Art und Weise eingebrannt hat, in dessen Welt ich wieder eintauchen möchte. Noch stand für meinen Geschmack die erzählerische Qualität etwas zu sehr im Hintergrund, ich bin aber überzeugt die Autoren können noch viel mehr!

Das Buch in einem Tweet:

Merken

2 Comments

Add yours

+ Leave a Comment