Rezension: Im Kern eine Liebesgeschichte von Elizabeth McKenzie


Was gibt es schöneres als zwei Menschen, die beschließen den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen und sich versprechen für (hoffentlich!) immer füreinander da zu sein. Die wenigsten Filme zeigen, was vor diesem großartigen Moment oft zwangsläufig stattfinden muss: die Vorstellung bei den Eltern des Partners (Stell dir hier bitte bedrohliche Orgelakkorde vor).

Um
diese heikle Situation dreht sich „Im Kern eine Liebesgeschichte“. Die verträumte,
idealistische und sanfte Übersetzerin Veblen und der energische, ehrgeizige
Neurologe Paul sind ein ungleiches, doch schönes Paar. Noch ungleicher, aber
deutlich weniger süß sind ihre Familien: Veblens exzentrische, hypochondrische
Mutter könnte wohl jeden in den Wahnsinn treiben und Pauls
Hippie-Aussteiger-Eltern bringen ebenfalls einen ganzen Sack Probleme mit in
die Geschichte.

Für
alle Menschen, die vielleicht gerade überlegen ihren neuen Partner den Eltern
vorzustellen und sich davor ängstigen, könnte „Im Kern eine Liebesgeschichte“
vielleicht therapeutisch wirken: egal wie schlimm du es dir vorstellst, bei
euch wird es nicht SO laufen! Aber auch für alle, die das längst hinter sich
haben, liest sich dieser Roman einfach wunderbar.

Im
Kern geht es in dieser Geschichte nicht nur um schräge Familien, sondern um Erwartungen.
Um Erwartungen an uns selbst, eine Beziehung oder Familienmitglieder. Welche
Entwicklungen nehmen wir nur, um Erwartungen (nicht) zu erfüllen und wie
erkennen wir unseren eigenen Antrieb? Wie wichtig ist es überhaupt Erwartungen
zu erfüllen und sind manche Fesseln nicht sowieso nur eingebildet?

Ich hatte bei „Im Kern eine Liebesgeschichte“ ein Kammerspiel ähnlich zu „Der Gott des Gemetzels“ erwartet, ganz so reduziert war die Handlung aber leider nicht. Trotzdem stehen die Figuren und ihre Entwicklungen klar im Fokus: wie wir uns erst bemühen, um einen guten Eindruck zu machen, dann aber irgendwann metaphorisch nach dem Essen doch den obersten Hosenknopf öffnen. Man ist ja Familie!

Besonders wird diese Entwicklung durch die besondere Erzählweise und den Stil der Geschichte betont. Immer wieder sind verschiedene kurze Einschübe enthalten, Texte von Veblen oder sogar Bilder, wie das wahnsinnig wichtige Foto eines übriggebliebenen Hähnchen-Taccos. Auch zwischen diesen Exkursen ist „Im Kern eine Liebesgeschichte“ bunt und lebendig, erzählt farbenfroh von liebenswerten Charakteren und konnte mich so nachhaltig überzeugen.

„Im Kern eine Liebesgeschichte“ von Elizabeth McKenzie, übersetzt von Stefanie Jacobs, erschienen im Dumont Buchverlag, 480 Seiten

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