Das erste Treffen der neuen Partner*in und der eigenen Familie ist ja so ein Termin, der bei vielen irgendwo zwischen Zahnarzt und Steuererklärung rangiert. Klar, es kann auch ganz unkompliziert sein. Aber je weiter die zukünftigen Schwiegersöhne und -töchter von den Vorstellungen der Eltern entfernt sind, desto anstrengender mag es werden.

Wenn Familien…

In “Iss das jetzt, wenn du mich liebst” von Bianca Nawrath ist diese Situation jedenfalls ziemlich kompliziert. Eigentlich sind Kinga und Mahmut ein tolles Paar. Sie leben seit einigen Jahren zusammen in Berlin und sind immer noch verliebt bis über beide Ohren. Sie verstehen sich beinahe ohne Worte und sind super aufeinander eingespielt.

Nur ist Mahmut der Sohn türkischer Einwanderer und damit so ganz und gar nicht der Wunschschwiegersohn von Kingas polnischen Eltern. Ausgerechnet bei einer Hochzeit in Polen soll Mahmut nun der ganzen Familie vorgestellt werden.

Und Mahmut gibt alles. Der junge Mann isst sich tapfer durch ungewöhnliche polnische Spezialitäten, versucht alle Traditionen mitzufeiern und irgendwie zu genügen. Das alles beschreibt die Autorin mit einem herrlichen Sinn für Humor und viel Herz.
Irgendwie schafft sie es, dass man die schrulligen Tanten und Onkel, die anstrengenden Eltern und natürlich auch Mahmut und Kinga wirklich mag. Jede der Figuren wird mit ihren kleinen Schwächen und Fehlern gezeigt, aber charmant und liebenswert sind sie alle.

… und Kulturen aufeinandertreffen

Besonders spannend sind dabei die verschiedenen Perspektiven auf Integration. Wie die polnischen Einwanderer sich beinahe bis zur Selbstaufgabe integrieren steht hier im Kontrast zu türkischen Einwanderern, die den Stolz zu ihrer Herkunft und Kultur eher offen zeigen. Ein Aspekt, der in einer sowieso schon angespannten Grundkonstellation besonders interessante Entwicklungen mitbringt.

Ein Thema, das mich persönlich schwer getroffen hat, war der Alkoholismus von Kingas Vater. Die Autorin schafft es unheimlich gut die Facetten dieser Krankheit zu transportieren. Wie die Stimmung eines zuvor fröhlichen Abends durch den Alkohol in wenigen Momenten kippen kann. Oder wie die Familie ständig auf dem schmalen Grat balanciert, den Alkoholismus nicht zu unterstützen, aber den Vater auch nicht fallen lassen zu wollen. Das war neben all dem Witz und Augenzwinkern schwere Kost und hat länger nachgewirkt. Ich mag es, wenn Leichtigkeit und Tiefgang sich so gelungen verbinden.

Liebe fürs Detail

Alles in allem hat mich dieses Buch total überrascht. Ich habe weder vom Cover noch dem Titel viel erwartet (ich steh nicht so auf saure Gurken) und wurde ziemlich kalt erwischt. Die Liebe steckt im Roman im Detail: Kapitel werden wechselnd mit türkischen und polnischen Sprichwörtern überschrieben und selbst das Cover ergibt im späteren Verlauf der Handlung einen Sinn. Das haben die Frauen von Ecco gut hinbekommen.

Der Ecco Verlag ist übrigens ein Imprint von Harper Collins und möchte ausschließlich Bücher von Frauen verlegen. Hier habe ich vor Kurzem bereits zwei Mitarbeiterinnen des (rein weiblichen) Teams interviewen können.

Besonders begeistert hat mich die Geschichte übrigens im Hörbuch. Von der Autorin selbst eingesprochen, werden die Figuren da noch mal ganz anders lebendig. Bianca Nawrath ist Schauspielerin und das merkt man dem Hörbuch auch an. Liebevoll gibt sie ihren Familienmitgliedern mit ihren jeweiligen Dialekten noch ein mal einen ganz eigenen Charme.

Ich bin sonst nicht so und in der Regel ist ein Roman ja auch fertig erzählt. Aber von “Iss das jetzt, wenn du mich liebst” wünsche ich mir wirklich noch einen Nachschlag. Es werden nämlich schon mal einzelne Begebenheiten aus dem Zusammentreffen von Kinga mit Mahmuts Familie angerissen, aber diese Perspektive würde ich zu gern noch vollständig lesen. Geht das, bitte?

„Iss das jetzt, wenn du mich liebst“ von Bianca Nawrath, erschienen im Ecco Verlag, 288 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen. Folge dafür einfach den Links, Danke!

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