Den Hund überleben


Bücher über Krebs gibt es wirklich mehr als genug. Grundsätzlich ist das auch ein Motiv, das ich eher kritisch sehe. Ich mag es nicht, wenn Krankheiten und Behinderungen für maximales Drama ausgeschlachtet werden. Traumaporn um sich selbst besser, gesünder und sicherer zu fühlen.
Moment, da kommt ein Aber.
Denn “Den Hund überleben” dreht sich nicht nur um Krebs. Es benennt diesen “Katastrophentourismus” sogar. Das macht die Basis für den Roman immer noch nicht optimal, lässt aber genug Raum für andere Themen. Der Roman handelt ganz grundsätzlich von einer Unterbrechung im Alltag, die einen jungen Mann zurückwirft, zur neuen Orientierung zwingt.

Da ist ein sehr junger Mensch, der gerade irgendwie starten wollte mit seinem Leben. Der eigentlich auch noch gar nicht so genau wusste, wie und was er will. Dieser Mensch muss sich plötzlich sehr viele fundamentale Fragen stellen.

Wie eine Pausetaste

Auslöser ist in diesem Fall die Krankheit Krebs. Das Thema könnte aber auch funktionieren ausgelöst durch andere Brüche in einer Biographie. Trauer oder Trennungen, ein Jobverlust, viele Dinge zwingen uns in eine Pause. Nur, zugegeben, so existenziell wird es natürlich nicht immer.

Diesen Aspekt mag ich jedenfalls gern. Auch ich habe schon Situationen erlebt, die mich zwangen meine Prioritäten zu hinterfragen. Die Hilf- und Ratlosigkeit, wenn man vom “Pläne machen” in diese Phase des Stillstands gerät, ist beängstigend. Genau das hat der Autor gut eingefangen.

Ich hatte zuvor Angst, dass “Den Hund überleben” erdrückend traurig werden könnte. Und natürlich ist ein wesentlicher Aspekt der Handlung eine Krankheit, die wirklich kein Waldspaziergang ist. Stefan Hornbach schafft es diese Geschichte zwar traurig aber gleichzeitig so lebendig zu erzählen, dass sie nichts all zu Schweres bekommt.

Denn vor allen Dingen verfolgen wir eben einen Protagonisten, der äußerst lebendig ist. Der lieben und leben will, genießt und sich gerade von seinen Eltern abnabelt, bei ihnen aber gleichzeitig viel Nähe spürt. Spannend ist, dass wir hier die Innenansicht eines Menschen lesen, der sich seine Gefühle nach außen hin nicht anmerken lässt. Keine extrovertierte Hauptfigur, die all ihre inneren Konflikte ausspricht oder auch nur zeigt, sondern einer, der sich erst mal zurückzieht.

Been there, done that

Ich hatte ganz oft so ein gewisses “been there, done that”-Gefühl. Natürlich habe ich nicht das selbe erlebt wie die Figur im Roman. Dennoch habe ich mich und meine Geschichte in seinen Beschreibungen wiedererkannt. Sie wirken einfach so echt und nah. Ich erkannte Ängste und Gedanken als Patientin, dieses “brav mitmachen”, das Interpretieren von jedem Satz, den behandelnde Ärzt*innen von sich geben. Vermutlich kann man hier noch nicht von Allgemeingültigkeit sprechen, aber von einem tollen Auge für Details und Emotionen.

Was mir außerdem unheimlich gut gefallen hat war die schöne queere Liebesgeschichte im Roman. Ohne viel Tamtam wird da eine schwule Liebesbeziehung erzählt, die sich einfach echt anfühlt. Schön ist, wie die Familie gezeichnet wird. Sie akzeptieren ihren schwulen Sohn, trotzdem schafft es der Autor in 1-2 Sätzen gängige Klischees anzusprechen. Das mildert ein bisschen den fast zu Idyllischen Eindruck der vielen liebevollen Figuren, macht aber die Homosexualität selbst nicht zum unnötigen Drama.

Das Lesen hinterfragen

Es wäre gut, wenn mehr hinterfragt wird, wie beziehungsweise wieso diese Romane bei Leser*innen Anklang finden. Ich hoffe aber, dass dieser Roman eben nicht als Traumaporn gelesen wird, sondern aus Freude an seinen allgemeingültigen Themen und Gedanken, seiner melancholischen, aber lebendigen Atmosphäre. Denn genau darin liegen die Stärken dieser Geschichte.

 

„Den Hund überleben“ von Stefan Hornbach, erschienen im Hanser Literaturverlag, 288 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen. Folge dafür einfach den Links, Danke!

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